
Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studium „Advanced Nursing Practice“ beschäftigte sich Elisabeth, Gesundheits- und Krankenpflegerin, mit dem demografischen Wandel und stieß auf das Konzept Green Care.
Green Care steht für Interaktionen zwischen Mensch, Tier und Natur, welche die positive Wirkung der Natur auf den Menschen zur Gesundheitsförderung nutzen1. Da Elisabeth selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in südlichen Niederösterreich aufgewachsen ist, faszinierte sie die Verbindung von sozialen Angeboten und Landwirtschaft von Anfang an. Inspiriert wurde sie von Pflegebauernhöfen in den Niederlanden, wo speziell Menschen mit Demenz professionell betreut werden und sich zudem bei Arbeiten auf dem Hof beteiligen können. So hat Elisabeth nach ihrem Abschluss sechs Monate auf solchen Höfen gearbeitet und vertiefte ihre praktischen Erfahrungen im Bereich „Green Care“.


Welches Problem lösen wir?
Der demografische Wandel führt zu einer steigenden Zahl älterer Menschen, insbesondere in ländlichen Regionen. In unserer Herkunftsregion im südlichen Niederösterreich sind bereits über 25 % der Bevölkerung über 60 Jahre alt2 und viele ältere Menschen leben allein3, was das Risiko von sozialer Isolation und Einsamkeit erhöht4. Gleichzeitig wird erwartet, dass sich die Zahl der Menschen mit Demenz in Österreich bis 2050 verdoppelt5– ein wachsender Betreuungs- und Pflegebedarf ist die Folge.
Menschen aus ländlichen Regionen wünschen sich oft den Verbleib in ihrer gewohnten Umgebung. Viele davon sind auf Bauernhöfen oder zumindest in naturnaher Umgebung aufgewachsen – mit eigenem Balkon, Garten oder Haustieren. Wohnortnahe Angebote gibt es in ländlichen Gemeinden meist nicht.
Ein weiteres Problem, das von „Pflege am Hof“ adressiert wird, ist die österreichische Landwirtschaft. Zwischen 2010 und 2020 wurde jeder 9. Betrieb der Landwirtschaft aufgrund von zu geringem Einkommen und hohem kompetitiven Druck aufgelassen6. Zudem leiden ländliche Regionen von einer starken Abwanderung und einer hohen Leerstandsrate. Eine Diversifizierung der Einnahmequellen wird von immer mehr Landwirt*innen angestrebt.

Durch Pflege am Hof wird insbesondere in ländlichen Regionen ein einzigartiges, gemeinschaftliches Pflege- und Betreuungsangebot geschaffen. Speziell Menschen mit Demenz, bedürfen einer individuellen Versorgung, persönlicher Ansprache, der Möglichkeit vorhandene Ressourcen einzusetzen und an einer Gemeinschaft teilzuhaben. Pflege am Hof integriert Klient*innen der Tagesbetreuung bei alltäglichen Aktivitäten auf dem Hof und lässt sie an der Gemeinschaft teilhaben. Durch das kleinstrukturierte Angebot (Tagesbetreuung: max. 12 Personen pro Hof) kann auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse der Nutzer*innen eingegangen werden und bei den Pflege- und Betreuungspersonen gibt es Kontinuität. Diese ist gerade für Menschen mit Demenz von großer Bedeutung und schafft Sicherheit. Für Pflege- und Betreuungspersonen bietet Pflege am Hof einen naturnahen Arbeitsplatz, wo die Möglichkeit besteht, im Freien und mit Tieren zu arbeiten.

Wer ist die Zielgruppe?
Menschen mit Demenz aus dem ländlichen Raum und hier besonders junge Betroffene gelten in erster Linie als Kernzielgruppe von Pflege am Hof.
Die Versorgung der Zielgruppe findet in Form von Tagesbetreuung eingebettet im ländlichen Raum statt. Menschen aus ländlichen Regionen können so durch Pflege am Hof wohnortnah in der Region versorgt werden. Pflege am Hof stellt eine kleinstrukturierte Versorgung dar, wo Menschen in einer familiären Struktur individuell versorgt werden und an der Gemeinschaft am Hof teilhaben.
Wie funktioniert Pflege am Hof?
„Pflege am Hof“ kooperiert mit landwirtschaftlichen Betrieben und nutzt deren bestehende Infrastruktur, um eine einzigartige Form der Betreuung zu bieten. Professionelle Pflegekräfte übernehmen die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen, während Landwirte ein soziales Angebot integrieren und ein sicheres Zusatzeinkommen generieren.
Welchen Mehrwert generieren wir?
Durch die kleinstrukturierte Versorgungsstruktur wird insbesondere für Menschen mit Demenz eine hohe Pflege- und Versorgungsqualität geleistet. Menschen mit Demenz erleben Kontinuität bei den Betreuungspersonen, was für Sicherheit und Wohlbefinden sorgt. Sie werden in die Alltagsaktivitäten auf dem Hof eingebunden wie z.B. beim Versorgen der Tiere, gemeinsamen Kochen, Gartenarbeit und können so noch vorhandene Fähigkeiten aktivieren, einsetzen und erhalten. Aus den Niederlanden, wo Green Care Pflegebauernhöfe bereits etabliert und erforscht sind, gibt es zahlreiche Studien, welche einen positiven Mehrwert auf Menschen mit Demenz belegen. Im Vergleich zu herkömmlichen Pflegeeinrichtungen beispielsweise das Erleben eines aktiven Alltags, mehr soziale Interaktionen, gesteigerter Appetit, besserer Schlaf und eine höhere Lebensqualität7 .
Angehörige können sich durch das Angebot der Tagesbetreuung in gewonnenen freien Zeiten ihrer eigenen Gesundheit und ihrem eigenen Leben widmen. Sie gewinnen Freizeit, um beispielsweise ihr soziales Umfeld zu pflegen, einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen oder sich wieder aktiv in einem Verein zu engagieren. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Lebensqualität und das soziale und psychische Wohlbefinden von Angehörigen von Menschen mit Demenz aus.
Die Profession der Pflege findet bei Pflege am Hof eine bisher einzigartige Versorgungsform. Im Gegensatz zu großen Institutionen mit hierarchischen Strukturen, können sich Mitarbeitende bei Pflege am Hof aktiv einbringen, mitgestalten und sich weiterentwickeln. Eine hohe Arbeitszufriedenheit und der Verbleib im Pflegeberuf sind anzunehmen. Dies kann sich in weiterer Folge positiv auf das Berufsbild sowie das Image der Pflege auswirken. Pflegepersonen erleben Freude an dem, was sie tun und können die Pflege und Betreuung nach ihren Wünschen und Vorstellungen, nämlich person-zentriert und individuell ausüben.
Durch das gesicherte finanzielle Einkommen der Landwirt*innen durch die Vermietung wird der Weiterbestand landwirtschaftlicher Betriebe, besonders von kleinen Nebenerwerbsbetrieben gesichert. Was den gesamten Sektor der Landwirtschaft stärken kann.
Gemeinden tragen zur Förderung der Lebensqualität der Bewohner*innen und insbesondere von Menschen mit Demenz bei. Eine Region, die Pflege am Hof unterstützt und beherbergt, kann durch sekundäre Dienstleistungen, die sich ansiedeln oder fortbestehen können, (Cafés, Gasthäuser, Friseursalons oder Fahrtendienste, ...) als Wirtschaftsstandort profitieren und das soziale Wohlbefinden der Einwohner*innen stärken und sich außerdem als generationenverbindende Gemeinde profilieren.
Angebote wie Pflege am Hof tragen durch ihr Auftreten und ihre Vermittlungs- und Aufklärungsarbeit dazu bei, das Thema Altern und Demenz zu entstigmatisieren und der Bevölkerung Ängste zu nehmen. Menschen mit Demenz werden als Teil der Gesellschaft gesehen, als individuelle Personen, die an einer Gemeinschaft teilhaben und etwas zur Gesellschaft beitragen.
Literatur:
1 Green Care (2025). Was ist Green Care? Abgerufen von https://www.greencare.at/green-care/ am 06. April 2025
2 Heissl & Daxner (2021): Wohnen im Alter in Niederösterreich. Institut für gesellschaftlichen Wandel.
3 Statistik Austria (2019). Lebensformen. Abgerufen am 10. Mai 2022 von https://pic.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/haushalte_familien_lebensformen/125595.html
4 Pantel, J. (2021). Gesundheitliche Risiken von Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter. Geriatrie-Report, 16(1), 6-8.
5 Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) (2020). Österreichischer Demenzbericht. Abgerufen von https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Nicht-uebertragbare-Krankheiten/Demenz/%C3%96sterreichischer-Demenzbericht.html am 13. Mai 2024
6 Kleine Zeitung (2022). Jeder 9. Bauernhof hörte seit 2010 auf – dafür wurden Höfe größer. Abgerufen am 11.Juni 2024 von https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6164483/Weniger-Schweine-mehr-Huehner_Jeder-9-Bauernhof-hoerte-seit-2010#:~:text=2020%20gab%20es%20in%20%C3%96sterreich,20%20Prozent%20der%20Betriebe%20auf.
7 De Boer, B., Hamers, J., Zwakhalen, S., Tan, F., & Verbeek, H. (2017). Quality of care and quality of life of people with dementia living at green care farms: a cross-sectional study. BMC Geriatrics, 17, 1-10. https://doi.org/10.1186/s12877-017-0550-0
De Boer, B., Hamers, J., Zwakhalen, S., Tan, F., Beerens, H., & Verbeek, H. (2017a). Green Care Farms as Innovative Nursing Homes, Promoting Activities and Social Interaction for People With Dementia. The Journal of Post-Acute and Long-Term Care Medicine, 18(1), 40-46. https://doi.org/10.1016/j.jamda.2016.10.013
De Bruin, S., Oosting, S., Kuin, Y., Hoefnagels, E., Blauw, Y., De Groot, L., & Schols, J. (2009). Green Care Farms Promote Activity Among Elderly People With Dementia. Journal of Housing for the Elderly, 23(4), 368-389. https://doi.org/10.1080/02763890903327275
De Bruin, S., Stoop, A., Molema, C., Vaandrager, L., Hop, P., & Baan, C. (2015). Green Care Farms: An Innovative Type of Adult Day Service to Stimulate Social Participation of People With Dementia. Gerontology & Geriatric Medicine, 1, 1-10. https://doi.org/10.1177/2333721415607833
Evans, S., Barrett, J., Mapes, N., Hennell, J., Atkinson, T., Bray, J., ... Russell, C. (2019). Connections with nature for people living with dementia. Working with older people, 23(3), 142-151. https://doi.org/10.1108/WWOP-01-2019-0003
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